Die neue Sammelklage – Infos und Hinweise, Teil 2
Die Musterfeststellungsklage soll die Rechte geschädigter Verbraucher stärken. Als neues Instrument, das den Handlungsspielraum erweitert, kommt in Deutschland erstmals die Sammelklage dazu. Umgangssprachlich wird zwar auch bei der Musterfeststellungsklage von einer Sammelklage gesprochen. Denn beide Klagearten gehen gesammelt vor. Allerdings verfolgen sie unterschiedliche Ziele.
So möchte die Musterfeststellungsklage ein Grundsatzurteil erwirken, während die Sammelklage erreichen will, dass die Leistungsansprüche direkt erfüllt werden.
In einem zweiteiligen Beitrag haben wir Infos und Hinweise zur neuen Sammelklage zusammengetragen. Dabei haben wir in Teil 1 erklärt, was genau eine Musterfeststellungsklage und eine Sammelklage sind und was die beiden Klagearten voneinander unterscheidet. Außerdem haben wir beantwortet, wer solche Klagen führen darf.
Hier ist Teil 2!:
Inhalt
Welchen Vorteil hat eine gemeinsame Klage?
Durch die Musterfeststellungs- und die Sammelklage erweitert sich der rechtliche Handlungsspielraum für geschädigte Verbraucher. Jeder Verbraucher kann selbst entscheiden, ob er nach einer zivilrechtlichen Verletzung seiner Rechte durch eine Einzelklage gegen ein Unternehmen vorgehen möchte.
Oder ob er sich anderen Betroffenen anschließt, um gemeinsam die Grundlage für die Ansprüche feststellen zu lassen (Musterfeststellungsklage) oder die geltend gemachten Ansprüche direkt einzufordern (Sammelklage).
Sinnvoll kann eine gemeinsame Klage vor allem dann sein, wenn es um hohe Kosten geht. Angenommen, ein fehlerhaft hergestelltes Knieimplantat-Modell wurde vielen Patienten eingesetzt.
Die Geschädigten könnten nun im Rahmen einer Musterfeststellungsklage die Verantwortung des Herstellers klären lassen. Dadurch müssten sie nicht einzeln klagen und die hohen Kosten für das Gerichtsverfahren und notwendige Gutachten vorschießen.
Würde das Gutachten kein Fehlverhalten des Herstellers feststellen, müssten sie auch die Kosten der Gegenseite nicht übernehmen.
Kommen viele geschädigte Verbraucher zusammen, kann sich eine Klage aber auch bei kleinen Beträgen lohnen. Angenommen, ein Energieunternehmen hat die Strompreise angehoben.
Die Kunden vermuten, dass die Preiserhöhung nicht rechtens war. Allerdings sind die Beträge so niedrig, dass eine Einzelklage zu aufwändig wäre. Liegt eine Abrechnungspraxis vor, die grundsätzlich fehlerhaft ist und viele Kunden betrifft, macht eine Sammelklage trotz des geringen Streitwerts Sinn.
Denn sie käme allen geschädigten Kunden zugute und würde das Energieunternehmen außerdem verpflichten, ordnungsgemäß abzurechnen.
Wie läuft eine Musterfeststellungsklage ab?
Eine Musterfeststellungsklage setzt voraus, dass der klagende Verband mindestens 50 betroffene Verbraucher vorweisen kann. Um das Verfahren in Gang zu setzen und einen Klageantrag zu stellen, genügen aber zunächst zehn Betroffene.
Sie werden im Klageregister erfasst. Innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung müssen sich dann aber insgesamt 50 Verbraucher im Klageregister angemeldet haben, damit die Klage zugelassen wird.
Nachdem die Klage erhoben ist, kann zum gleichen Sachverhalt keine weitere Musterfeststellungsklage mehr gegen das Unternehmen erhoben werden. Deshalb kann wichtig sein, welcher Verband zuerst welchen Klageantrag stellt.
Dieser erste Fall wird nämlich als Musterverfahren entschieden und ist zum jeweiligen Sachverhalt für alle, die daran beteiligt sind, bindend.
Das Gericht führt das Verfahren, erhebt Beweise und veröffentlicht im Klageregister die Entscheidung. Verbraucher, die an einer Musterfeststellungsklage teilnehmen, müssen wenig unternehmen.
Sie werden darüber informiert, wie die Klage lautet und wie das Verfahren ausgegangen ist. Kommt es zu einem Vergleich, haben sie einen Monat lang Zeit, um sich dem Vergleich anzuschließen oder ihn abzulehnen. Lehnen weniger als 30 Prozent der angemeldeten Verbraucher den Vergleich ab, wird er wirksam.
Nach der gerichtlichen Entscheidung
Das Gerichtsverfahren kann entweder durch einen Vergleich oder ein Urteil enden. Beides wird veröffentlicht. Fällt das Urteil zuungunsten der Kläger aus, dürfte eine anschließende Einzelklage keinen Erfolg haben.
Gibt das Gericht hingegen dem klagenden Verband recht, ist die Entscheidung für alle beteiligten Verbraucher im Folgeverfahren bindend. Auf dieser Basis können sie ihre eigenen Ansprüche nun geltend machen.
Und in aller Regel wird das beklagte Unternehmen die Ansprüche auch erfüllen. Denn durch die Musterfeststellungsklage ist der Sachverhalt ja schon verbindlich geklärt, sodass ein Folgeverfahren ebenfalls zugunsten des Verbrauchers enden würde.
Auch ein Vergleich hat Bindungswirkung für alle Beteiligten. Wird er angenommen, ist der Fall erledigt. Ein Folgeverfahren ist dann ausgeschlossen.
Wie läuft eine Sammelklage ab?
Bei der neuen Sammelklage handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren. Verbraucher, die von einem Anspruch ausgehen und diesen geltend machen möchten, müssen sich der Klage eigenständig anschließen.
Wie bei der Musterfeststellungsklage wird der Klageantrag für jeden öffentlich einsehbar in ein Verbandsklageregister eingetragen. Finden sich mindestens 50 Betroffene, kann der Verband die Klage einreichen.
Das Verfahren gliedert sich dann in drei Phasen:
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Das Oberlandesgericht erlässt ein sogenanntes Abhilfegrundurteil. Darin beziffert es den Betrag, der jedem Kläger zusteht.
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In Vergleichsgesprächen sollen sich das beklagte Unternehmen und die Kläger nach Möglichkeit einigen. Kommt es zu einem Vergleich, können die Verbraucher entscheiden, ob sie diesen annehmen oder nicht. Stimmen mindestens 70 Prozent der Verbraucher zu, gilt der Vergleich als angenommen. Kann keine Einigung erzielt werden, fällt das Gericht ein Abhilfeendurteil.
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In der letzten Phase wird das Urteil erfüllt. Ein vom Gericht bestimmter Sachverwalter kümmert sich um die weitere Organisation und richtet einen Umsetzungsfonds ein. Daraus erhalten die einzelnen Kläger ihre Zahlungen.
Worauf sollten Verbraucher bei einer gemeinsamen Klage achten?
Der Verbraucher sollte prüfen, ob der Klageantrag zu seinen Interessen passt. Angenommen, ein Verband will per Klage feststellen lassen, ob eine Bank Bearbeitungsgebühren für den Abschluss von Kreditverträgen erheben durfte.
Dazu beantragt der Verband die Feststellung, ob die Bank die Bearbeitungsgebühren erstatten muss. Dem Verbraucher geht es aber gar nicht um die Rückzahlung der Gebühren.
Er will wissen, ob er durch das Fehlverhalten der Bank ein Sonderkündigungsrecht für den Kreditvertrag nutzen kann. Die Klage würde sein Ziel deshalb gar nicht erreichen. Folglich wäre er mit einer Einzelklage besser beraten.
Andererseits kann der Verbraucher seine Anmeldung zum Klageverfahren auch wieder zurücknehmen. Ein Rücktritt ist bis zum Ende der mündlichen Gerichtsverhandlung möglich.
Nach der Hauptverhandlung ist es dann nicht mehr möglich, von einer Musterfeststellungs- oder Sammelklage zurückzutreten. Nimmt der Verbraucher seine Anmeldung zurück, kann er aber nicht mehr vom Urteil oder Vergleich profitieren. Daher sollte er diese Entscheidung gut abwägen.
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Thema: Die neue Sammelklage – Infos und Hinweise, Teil 2
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