Rechtswidrige Zinsklauseln in Sparverträgen: Infos und Musterbrief, Teil 2
Vor allem in den 1990er- und 2000er-Jahren haben viele Banken und Sparkassen langfristige Sparverträge verkauft. Bei diesen Anlageprodukten handelt es sich unter anderem um Prämien-Sparverträge und Riester-Banksparpläne. Doch viele dieser Verträge enthalten Klauseln zur Anpassung der Zinsen, die rechtswidrig sind. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Juli 2024 eine konkrete Berechnungsmethode festgelegt, nach der Sparer:innen entschädigt werden sollen. Wer einen entsprechenden Vertrag hat, kann womöglich viel Geld nachfordern.
In einem ausführlichen Ratgeber haben wir die wichtigsten Infos zum Thema zusammengestellt. Dabei haben wir in Teil 1 die Ausgangssituation geschildert, die Entscheidungen des BGH eingeordnet und erklärt, welche Sparverträge betroffen sind.
Hier ist Teil 2!:
Inhalt
Gleitender Zinssatz nur bei Vereinbarung
In den verhandelten Fällen ging es um Verträge, die die Berechnungsmethode der Zinsen insgesamt nicht festgelegt hatten. Dazu hat der BGH entschieden, dass ein gleitender Zinssatz nicht interessengerecht sei.
Im Unterschied dazu waren die Verbraucherzentralen der Ansicht, dass ein gleitender Zins als Referenzwert interessen- und sachgerecht wäre.
Ein gleitender Zinssatz entspricht dem Durchschnitt aus einer Reihe an Monatswerten. Das Gesamtguthaben eines Sparvertrags, das monatlich verzinst wird, setzt sich ebenfalls aus Sparleistungen zusammen, die während der Vertragslaufzeit zu verschiedenen Zeitpunkten eingezahlt wurden.
Sogar die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen hatten lange argumentiert, sie würden einen gleitenden Zinssatz anwenden, um die Zinsen anzupassen. Doch mit dem Urteil des BGH ist ein gleitender Zins nur noch dann heranzuziehen, wenn er im Vertrag ausdrücklich vereinbart war.
Was tun, wenn die Bank neue Zinsklauseln anbietet?
In der Vergangenheit schickten Banken und Sparkassen Kund:innen mit Sparverträgen, die rechtswidrige Klauseln zur Zinsanpassung enthalten, Schreiben zu, in denen sie neue Zinsklauseln vorschlugen.
Oft waren die Angebote aber weniger zum Vorteil der Kund:innen, sondern eher zum Vorteil der Finanzinstitute. Solche Vorschläge sollten deshalb kritisch überprüft werden.
Dabei kamen vor allem diese Angebote oft vor:
- Neuabrechnung mit pauschaler Nachzahlung: Einige Banken schlugen vor, den Sparvertrag neu abzurechnen. Teilweise boten sie in diesem Zuge eine pauschale Nachzahlung an. Allerdings kann diese Nachzahlung deutlich geringer ausfallen als der Zinsanspruch, der sich bei einer korrekten Nachberechnung ergäbe.
- Prämie für vorzeitige Vertragsauflösung: Skepsis ist geboten, wenn die Bank anbietet, den Vertrag gegen eine zusätzliche Prämie vorzeitig aufzulösen. Denn oft ist die Prämie niedriger als der Betrag, den die Bank bezahlen müsste, wenn der Vertrag bis zur ersten regulären Kündigungsmöglichkeit weiterläuft.
- Zinsanpassung mit neuem Verfahren: Manche Banken möchten eine neue Zinsanpassung vereinbaren. Als Begründung führen sie an, dass sie auf diese Weise die aktuelle Rechtsprechung umsetzen. Oft legen die Banken aber Parameter an, die für sie vorteilhaft sind. Dabei besteht generell kein Zeitdruck für neue Vereinbarungen, solange der Vertrag noch läuft.
Wer unsicher ist, wie das Angebot der Bank zu bewerten ist, kann sich zum Beispiel an die örtliche Verbraucherzentrale wenden und sich dort unabhängig beraten lassen.
Was können betroffene Sparer:innen tun?
Wer den Verdacht hat, dass die Zinsanpassung in seinem Sparvertrag fehlerhaft ist, sollte seine Bank oder Sparkasse dazu auffordern, die Zinsberechnung offenzulegen und die Zinsen gegebenenfalls neu zu berechnen. Sparer:innen haben einen Anspruch darauf, dass die Zinsen korrekt berechnet werden. Dieser Anspruch gilt für die gesamte Vertragslaufzeit und damit auch rückwirkend.
Um die laufende Verzinsung des Sparvertrags zu überprüfen, können sich Sparer:innen an diesem Musterbrief orientieren:
Absender
Anschrift
Name der Bank oder Sparkasse
Anschrift
Ort, Datum
Sparvertrag ___ (Bezeichnung, Nummer) ___
Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte rechnen Sie den oben genannten Vertrag rückwirkend seit Vertragsbeginn gemäß den Vorgaben des BGH neu und nachvollziehbar ab.
Stellen Sie dazu bitte den Berechnungsverlauf in einer Weise dar, die den Anforderungen nach § 259 BGB genügt. Die festgelegten und zugrundeliegenden Verfahren zur Zinsanpassung, alle darauf beruhenden Zinsberechnungen sowie deren Zuordnung zu verbuchten Einzahlungen und Zinsen, die meinen Sparvertrag betreffen, sollen nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs nachvollziehbar und überprüfbar sein.
Ich darf hierzu auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH verweisen (Az. XI ZR 140/03, XI ZR 197/09, XI ZR 52/08, XI ZR 361/01, XI ZR 508/15, XI ZR 234/20, XI ZR 257/21, XI ZR 461/20, XI ZR 310/20, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23).
Ihre Stellungnahme erwarte ich bis zum ___ (Datum) ___. Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
Die Verbraucherzentralen haben schon sehr viele langfristige Sparverträge überprüft und nachgerechnet. Dabei zeigte sich, dass Sparer:innen oft zu wenig Zinsen bekommen haben.
Die Differenzen liegen häufig im vierstelligen Bereich. Die aktuellen Urteile des BGH bestätigen, dass die Zinsen zum Nachteil der Sparer:innen angepasst wurden.
Wie hoch ein möglicher Anspruch auf eine Zinsnachzahlung ist, hängt davon ab, welche Laufzeit der Vertrag hat, wie hoch die regelmäßigen Sparraten sind und welchen Referenzzins die Bank angewendet hat. Auf den Webseiten der Verbraucherzentralen sind die betroffenen Sparverträge und auch die rechtswidrigen Zinsklauseln aufgeführt.
Allerdings ist allein eine Klausel noch kein Beleg dafür, dass die Zinsberechnung falsch ist. Denn es ist denkbar, dass sich die Bank nicht mehr auf die ursprüngliche Klausel beruft, sondern zwischenzeitlich andere Klauseln vereinbart hat oder ohne gesonderte Vereinbarung verwendet.
Im Zweifel raten wir deshalb dazu, einen Sparvertrag von der Verbraucherzentrale, einem Anwalt oder einer anderen unabhängigen Stelle prüfen und nachrechnen zu lassen.
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Thema: Rechtswidrige Zinsklauseln in Sparverträgen: Infos und Musterbrief, Teil 2
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