Rechtswidrige Zinsklauseln in Sparverträgen: Infos und Musterbrief, Teil 1
Viele Prämien-Sparverträge und Riester-Banksparpläne enthalten unzulässige Klauseln zur Anpassung der Zinsen. Im Juli 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Berechnungsmethode definiert, wie die Zinsen nachgerechnet und Sparer:innen entschädigt werden sollen. Wer einen entsprechenden Vertrag hat, kann möglicherweise eine hohe Nachzahlung verlangen.
In einem ausführlichen Ratgeber erklären wir die Hintergründe und fassen alle wesentlichen Infos zusammen.
Einen Musterbrief stellen wir ebenfalls bereit:
Inhalt
Die Ausgangssituation
Vor allem in den 1990er- und 2000er-Jahren haben viele Sparkassen, Privatbanken sowie Volks- und Raiffeisenbanken langfristige Sparverträge verkauft. In zahlreichen dieser Verträge sind rechtswidrige Klauseln enthalten.
In der Zeit nach dem Abschluss der Sparverträge sind die Marktzinsen stetig und massiv gefallen. Als Reaktion darauf haben die Banken die Sparzinsen für die Verträge regelmäßig nach unten korrigiert, teilweise auf bis zu 0,001 Prozent.
Erst im Jahr 2022 hat sich der Abwärtstrend durch die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) umgekehrt. Seitdem ist das allgemeine Zinsniveau wieder deutlich gestiegen.
Die Banken berufen sich auf eine Vertragsklausel, nach der sie dazu berechtigt sind, die Zinssätze regelmäßig anzupassen. Allerdings ist durch diese einseitige Zinsanpassung möglich, dass Kund:innen zu wenig Zinsen erhalten haben.
Wer so einen Sparvertrag hat, sollte deshalb die Klausel zur Zinsanpassung prüfen und die Zinsen nachrechnen lassen. Unter Umständen besteht der Anspruch auf eine Nachzahlung.
Nach über zwei Jahrzehnten mit diversen Gerichtsverfahren zur Zinsanpassung in Sparverträgen hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Juli 2024 eine konkrete Berechnungsmethode festgelegt, nach der Sparer:innen zu entschädigen sind. Die Klage hatten die Verbraucherzentrale Sachsen und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) geführt.
Juristisch bindend sind die Urteile des BGH zwar nur für die beiden Sparkassen, gegen die sich die Klage richtete. Allerdings handelt es sich bei den Sparverträgen um Standardprodukte.
Die Verbraucherzentralen gehen deshalb davon aus, dass die Festlegungen des BGH inhaltlich auch auf die Prämien-Sparverträge anderer Sparkassen und Banken angewendet werden können.
Dabei könnten sehr viele Sparverträge betroffen sein. Laut BaFin liefen noch im Jahr 2021 rund 1,1 Millionen Prämien-Sparverträge in Deutschland.
Sparer:innen, die einen langfristigen Sparvertrag abgeschlossen haben, sollten deshalb überprüfen, ob der eigene Vertrag rechtswidrige Klauseln enthält, und wenn ja, von der Bank oder Sparkasse eine Nachberechnung und Erstattung der Zinsen mit Verweis auf das BGH-Urteil verlangen. Das ist auch noch drei Jahre nach dem Ende des Sparvertrags möglich.
Wie sind die Entscheidungen des BGH zu beurteilen?
Die Verbraucherzentralen hatten eine andere Berechnungsmethode gefordert. Vor allem bei Verträgen, die in den vergangenen Jahren beendet wurden, hätten Sparer:innen dadurch von höheren Ansprüchen profitiert.
Die Richter folgten der Argumentation aber nicht. Nach zahlreichen Entscheidungen anderer Gerichte liegt nun mit dem Urteil des BGH als höchster Instanz eine abschließende Entscheidung vor.
Viele Fragen, die bislang strittig waren, sind durch das höchstrichterliche Urteil beantwortet. Sparer:innen können dadurch jetzt von Banken und Sparkassen klar einfordern, wie diese zu wenig gutgeschriebene Zinsen nachträglich erstatten müssen.
Aus Sicht der Verbraucherzentralen lassen sich die BGH-Urteile gegen die beiden beklagten Sparkassen auch auf vergleichbare Sparverträge anderer Banken übertragen.
Auf ausweichende Reaktionen oder pauschale, zu niedrige Angebote für Zinsnachzahlungen brauchen sich Sparer:innen nicht einzulassen. Auch ist es nicht notwendig, weitere Gerichtsurteile abzuwarten.
Welche Sparverträge sind betroffen?
Die Verträge, um die es geht, sind Sparverträge oder Riester-Banksparpläne.
Je nach Bank wurden sie zum Beispiel unter folgenden Namen vertrieben:
-
Prämiensparen flexibel, VorsorgePlus, Vorsorgesparen, Vermögensplan, Vorsorgeplan oder Scala (bei Sparkassen)
-
Bonusplan oder VRZukunft (bei Volks- und Raiffeisenbanken)
Rechtswidrige Zinsklauseln können aber genauso bei einem simplen Sparbuch auftreten, für das es eine gesonderte Zinsvereinbarung gab. Betroffen sind hauptsächlich langfristige Sparverträge, die überwiegend in den 1990er- und 2000er-Jahren mit einem variablen Zinssatz abgeschlossen wurden.
Bei diesen Verträgen umfasst die vereinbarte Verzinsung meist zwei Komponenten, nämlich einen variablen Grundzins und eine Prämie als Bonus. Der Grundzins beziffert den Zinssatz, mit dem das Guthaben jährlich verzinst wird.
Die Prämie bekommen die Sparer:innen zusätzlich. Sie steigt mit der Dauer des Sparvertrags. Allerdings wird die Prämie üblicherweise nicht ausgezahlt, sondern zum Guthaben addiert. Die Idee dahinter ist, dass die Sparverträge möglichst lange laufen sollen.
Rechtswidrige Klauseln zur Zinsanpassung
Ein variabler Grundzins, den die Bank an die allgemeine Entwicklung der Zinsen am Markt anpassen kann, ist bei vielen Verträgen üblich. Vor allem bei Verträgen mit einer langen Laufzeit muss eine solche Vereinbarung aber transparent sein.
Denn gerade bei langfristigen Verträgen ist es für Sparer:innen nicht möglich oder nicht sinnvoll, kurzfristig zu einem anderen Angebot mit besserer Verzinsung zu wechseln.
Viele alte Sparverträge enthalten sogenannte Zinsgleitklauseln, Zinsanpassungsklauseln oder Zinsänderungsklauseln, die nicht zulässig sind. Die Vereinbarungen berechtigen die Banken dazu, die Verzinsung nach ihrem eigenen Ermessen anzupassen.
Weil solche Anpassungen aber üblicherweise zulasten der Kund:innen gehen, ist die Folge, dass diese zu wenig Zinsen gutgeschrieben bekommen.
Schon vor der aktuellen Entscheidung hat der BGH solche Vertragsklauseln in mehreren Entscheidungen für unzulässig erklärt (Az. XI ZR 361/01, XI ZR 140/03, XI ZR 52/08, XI ZR 197/09, XI ZR 508/15, XI ZR 234/20).
Durch weitere Urteile in Musterfeststellungsverfahren bestätigte der BGH seine Rechtsprechung und stärkte die Position von Sparer:innen zusätzlich (Az. XI ZR 462/20, XI ZR 310/20, XI ZR 44/23, XI ZR 40/23; nachzulesen in der Entscheidungsdatenbank des BGH).
Geklärter Referenzwert
Mit seiner Entscheidung vom 9. Juli 2024 hat der BGH festgelegt, welcher Referenzwert verwendet werden muss, wenn die Vertragsklausel dazu keine konkreten Angaben macht. So eine Zinsklausel lautet zum Beispiel: „Die Spareinlage wird variabel verzinst, derzeit mit … %.“
Die Klage bezog sich auf Sparverträge, bei denen die höchste Prämienstufe nach 15 Jahren zum ersten Mal erreicht ist. Die Sparkasse kann dann den Vertrag frühestens nach Ablauf von 15 Jahren kündigen.
In diesem Fall muss der Referenzzins der Bundesbank mit der Kennung WU9554 angewendet werden.
Dieser Zinssatz gibt die Umlaufsrenditen von inländischen Inhaberschuldverschreibungen bei börsennotierten Bundeswertpapieren mit einer Restlaufzeit zwischen acht und 15 Jahren wieder. Nach Ansicht des BGH kommt dieser Zinssatz der typischen Spardauer nahe, bis die höchste Prämienstufe nach 15 Jahren erreicht ist.
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Thema: Rechtswidrige Zinsklauseln in Sparverträgen: Infos und Musterbrief, Teil 1
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